April 18, 2024

1. Mai 2021 – die kapitalistischen Staaten fürchten sich

Weltweit kam es zu staatlichen Repressionen gegen die Aktionen zum Tag des internationalen Arbeiter:innenkampfes, den ersten Mai. Nicht nur in verschiedenen deutschen Städten, auch in der Türkei, Italien und Frankreich – überall war die Reaktion der kapitalistischen Staaten dieselbe. 

BERLIN

Am Abend ereignete sich die revolutionäre Demonstration, voran organisiert von Migrantifa Berlin. Anders als in den Jahren zuvor sollte diese Demo friedlich und angemeldet sein, sodass der Fokus auf direkt betroffene Arbeiter:innen gelegt wird, die nicht zwingend politisch aktiv sind. Angeführt von einem internationalistisch migrantischem Frontblock folgten ein Klassenkampf-Block und ein Enteignungs-Block, der autonome Block bildete das Ende des Demozuges. 

Bereits am Vorabend war die immense Polizeipräsenz zu spüren: über 5.000 Beamt:innen waren im Einsatz, in Hubschraubern, auf den Dächern der Berliner Bezirke Neukölln und Kreuzberg und auf den Straßen. Am Abend des 1. Mai versammelten sich 20.000 Teilnehmer:innen am Hermannplatz. Fast alle trugen Masken, die Organisator:innen baten alle Teilnehmer:innen, sich im Voraus auf Covid-19 testen zu lassen und bot Schnelltests und Masken an. Trotz einiger Ausreißer, die den 1. Mai nutzten, um in Partystimmung Alkohol und Drogen zu konsumieren, war die Demonstration lautstark und kämpferisch. Die Demoleiter:innen verwiesen mehrmals auf die Einhaltung der Hygienemaßnahmen und die Unterlassung des Drogenkonsums.

Die Polizei schloss den letzten Block aus dem Rest der der Demo aus, unter dem Vorwand, dass die Mehrheit keine Masken trug. Der Zug wurde gestoppt und der klassenkämpferische Block an einer engen Straße mit einer Baustelle eingekesselt, sodass die Abstände nach dem Infektionsschutzgesetzes nicht eingehalten werden konnten – eine bewusste Entscheidung der Polizei, denn die Demoleitung verwies mehrmals darauf hin, die Polizei solle für den Schutz aller die friedliche Demo verlassen. Alle Ausgänge waren versperrt und die Polizei stürmte gewaltvoll in die Menschenmenge und einen Lautsprecherwagen und kündigte die Auflösung der Veranstaltung an. Es kam zu rund 240 Festnahmen. Ähnlich wie bei der Black-Lives-Matter-Demonstration im vergangenen Juni waren es hauptsächlich Jugendliche und Migrant:innen, unter ihnen auch Minderjährige.

FRANKFURT AM MAIN

Auch die revolutionäre Demonstration in Frankfurt am Main erlitt starke Repressionen. Über 4.000 Menschen nahmen teil, die aus dem Rhein-Main-Gebiet angereist waren. Das Bündnis „Revolutionärer Erster Mai Frankfurt“, das aus verschiedenen Organisationen besteht, entschied sich ergänzend zu der DGB Demonstration um 18 Uhr eine revolutionäre 1. Mai Demo zu veranstalten.

Bereits zu Beginn war deutlich, dass es ein überproportional hohes Polizeiaufgebot gab. Die Demo verlief anfangs, trotz unverhältnismäßiger Eingriffe der Polizei, friedlich ab. Am Ort der Abschlusskundgebung eskalierte die Lage: Unter dem Vorwand, die Demonstrant:innen hätten die Pyrotechnik in Richtung der Polizei gehalten und Flaschen geworfen, kam es zu brutalen Angriffen von der Polizei. Dazu muss man sagen, dass das ganze am Haus Gallup stattfand, wo 1985 der Antifaschist Günter Sare von einem Wasserwerfer totgefahren wurde. Die Polizei kündigte anschließend die Auflösung der Veranstaltung an und griff immer wieder mit Schlagstöcken und Pfefferspray an. Sanitäter:innen berichten darüber, dass aufgrund der vielen Kopfverletzungen und Brüche die Kühlpacks ausgingen. Es wurden zudem mehrere Armbrüche gezählt. Es kam zu willkürlichen Festnahmen und zu zwei Schwerverletzen, einer musste wegen eines Schädel-Basis-Bruches ins Krankenhaus eingeliefert werden, der andere erlitt einen epileptischen Anfall. Die Sanitäter:innen wurden am Zugang zu den Schwerverletzten gehindert und mussten sich regelrecht durchkämpfen. Dennoch wurden mehrere Verletzte mit auf die Polizeiwache genommen und mussten anschließend ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Die Polizei distanzierte sich später via Twitter von diesen schweren Verletzungen und erklärte diese hätten nichts mit dem Einwirken der Beamten:innen zutun. Auch die Presseerklärung zwei Tage darauf war geprägt von Heucheleien. Kein Wort über die Brutalität der Polizei, sondern ein Bericht darüber, wie sie angeblich beim Verarzten halfen und nur deeskalieren wollten. 

KÖLN

Bereits zu Beginn der Demonstration hat die Polizei willkürlich agiert und den Auftakt spontan früher angesetzt, als vorher abgesprochen. Der Zug wurde von der Polizei in drei Blöcke eingeteilt. Sie bestand darauf, dass zwischen den Blöcken etwa 100m Abstand gehalten werden soll. Auch das war polizeiliche Willkür und war nicht Teil des vorher abgemachten Hygienekonzeptes. Alle Teilnehmer:innen hielten Abstand und trugen Masken. Plötzlich griff die Polizei den mittleren Block gewaltvoll an. Wir gehen davon aus, dass das Tragen von Kapuzen einiger Demonstrant:innen als Vermummung gewertet wurde, um unter diesem Vorwand die friedliche Demonstration anzugreifen. Es wurde eine Gruppe Jugendlicher angegriffen, unter ihnen viele Minderjährige und Festgenommen. Eine 13 jährige Person wurde ebenso mit in Gewahrsam genommen – abgeführt in Plastikhandschellen. Die Polizei behandelte diese wie Kriminelle und setzte sie wie Häftlinge auf den Boden. Es kam zu körperlichen Verletzungen. Die beiden anderen Blöcken wurden eingekesselt, um die Solidarität mit den Betroffenen zu verhindern. Es gelang ihnen dennoch, zum mittleren Block zu gelangen, wodurch es zu drei weiteren Festnahmen kam. Die Solidarität mit den Betroffenen wurde von der Polizei gewaltvoll unterdrückt. Die Festgenommenen wurden mit in den Wagen gezerrt. Eine solidarische Sitzblockade durch die Demonstrant:innen blieb erfolglos und die drei Betroffenen wurden auf die Polizeiwache gebracht, weshalb eine Spontandemonstration zur Polizeiwache organisiert wurde. 

HAMBURG

Während Querdenker und Nazis ungehindert und ohne Einhaltung der Hygienemaßnahmen marschieren dürfen, entschieden sich der Hamburger Senat aus SPD und Grünen, alle Versammlungen zum 1. Mai zu verbieten. Das Verwaltungsgericht bestätigte das Verbot. Grund dafür seien die Infektionszahlen, dabei gab es ein gut erprobtes Hygienekonzept. Arbeiter:innen dürfen für eine soziale Gesellschaft und ihre Rechte nicht kämpfen, sollen am kommenden Montag aber wieder zur Arbeit gehen. Das Verbot hat ein klar politisches Motiv, dass sich gegen die Arbeiter:innenklasse richtet. Der Verband demokratischer Juristinnen und Juristen beurteilt das Verbot als rechtswidrig.

ISTANBUL

Die türkische Regierung ordnete in Istanbul für den gesamten Monat ein Versammlungsverbot an. Dieser Einschnitt in die Grundrechte traf auch den traditionellen 1. Mai, der in Istanbul eine besondere Geschichte hat. Am 1. Mai 1977 wurden 34 Menschen durch die massive Staatsgewalt auf dem TaksimPlatz ermordet. Seit Jahren werden die dortigen Versammlungen am 1. Mai vom Staat gewaltvoll angegangen. Vier türkische Frauen haben sich dieses Jahr gegen diese staatliche Repression gestellt und sind alleine auf die Straßen gegangen, um ihre Stimmen für alle unterdrückten Arbeiter:innen zu erheben. Sie erlitten massive Polizeigewalt.

Wir befinden uns derzeit in einer kapitalistischen Corona-Krise. Obwohl die kapitalistische Klasse das Elend verursacht, sind es die Arbeiter:innen, die dafür zahlen müssen. Reiche Konzerne bekommen Kredite in Milliardenhöhe, Arbeiter:innen werden entlassen, bekommen Gehaltsverkürzungen oder arbeiten unter prekären (Sicherheits-)Bedingungen. Die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer. Das Elend wird stärker und die Stimmen lauter. Das erkennt man an der politischen Entwicklung der sozialen Bewegungen. Gewerkschaftler:innen organisierten unabhängig von der Gewerkschaftsführung Veranstaltungen zum 1. Mai,  bisher nicht politisch aktive Arbeiter:innen gingen auf die Straßen, fordern sinnvolle Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, die im Interesse der Arbeiter:innen und Jugendliche fundieren, und kämpfen für soziale Gerechtigkeit.

DIE POLIZEI IST KEINE SICHERHEIT FÜR DIE ARBEITER:INNEN

Die Polizei fungiert als schützende Institution für die kapitalistische Klasse. Der politische Druck steigt und der Staat sieht sich gezwungen, Widerstand gegen diese menschenverachtenden Gesellschaftsordung gewaltvoll zu unterdrücken. Am diesjährigen Arbeiter:innenkampftag war das besonders deutlich. Man erkennt klare Unterschiede zwischen dem staatlichen Umgang mit linkspolitischen Organisationen und Querdenkern und/oder Nazis. Querdenker und Nazis stellen eine deutliche Gefahr für Corona-Risikogruppen und für von Rassismus betroffenen Menschen dar, aber nicht für die kapitalistische Eigentumsordnung. Deshalb werden linke Aktivist:innen kriminalisiert und Nazis in den Sicherheitsbehörden als Einzelfälle abgetan.

Viele deutsche Aktivist:innen sagen, sie hätten seit Beginn ihrer linkspolitischen Arbeit in den 90er Jahren keinen so kraftvollen 1. Mai gesehen, der gleichzeitig in diesem Maße angegriffen wurde. Die Organisierung der Arbeiter:innen und Jugendliche ist wichtiger denn je, um den Druck weiterhin auf die Straßen tragen. Den Einschüchterungsversuch des Staates gab es bereits im Ursprung des Tages am 1. Mai 1886. Die Geschichte zeigt jedoch, dass wir organsiert eine sozialere Gesellschaft erkämpfen können. Das Geld, das in die Aufrüstung des Staates fließt, macht sich in Bildung, Gesundheit und Forschung besser.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert