Heute jährt sich der rassistische Brandanschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft in Hamburg, der den 22-jährigen Nguyễn Ngọc Châu und den 18-jährigen Đỗ Anh Lân das Leben kostete.
Es war in der Nacht vom 21. zum 22. August 1980, als die Rechtsterroristen Raymund Hörnle und Sibylle Vorderbrügge, die sich zu der Terrororganisation „Deutsche Aktionsgruppen“ zählten, einen Brandsatz auf die Unterkunft für Schutzsuchende warfen. Dabei trafen sie das Zimmer, in dem die beiden vietnamesischen Geflüchteten Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân schliefen. Von dem Geflüchtetenheim hatten die, in der rechten Szene gut vernetzten, Rechtsterroristen durch eine Meldung im „Hamburger Abendblatt“ erfahren, in dem die Ankunft neuer Geflüchteter in der Unterkunft an der Halskestraße kritisiert und die Adresse preisgegeben worden war.
Châu starb noch am Morgen, Lân erlag 9 Tage später seinen schweren Verbrennungen im Krankenhaus. Beide hatten keine Chance den Flammen zu entkommen. An die Fassade der Unterkunft hatten Hörnle und Vorderbrügge mit roter Farbe „Ausländer raus“ geschmiert. Beide wurden wegen zweifachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt und haben ihre Strafen bereits abgesessen.
Der 18-jährige Lân war nach dem imperialistischen Krieg der USA in Vietnam 1978 übers offene Meer geflüchtet, in der Hoffnung, dass vorbeiziehende Schiffe ihn sehen und mitnehmen würden. Er hatte Glück und war mithilfe einer Hilfsorganisation nach Deutschland gekommen. In Hamburg hatte Lân Paten gefunden, ging zur Schule und stand kurz vor seinem Abschluss, bevor er getötet wurde. Auch der 22-jährige Châu, der in seiner Heimat in Vietnam bereits als Lehrer gearbeitet hatte, hatte denselben gefährlichen Weg über das chinesische Meer auf sich genommen, in Hoffnung auf eine bessere Perspektive in Deutschland. Auch er hatte Glück und war am 15. April 1980 am Hamburger Hafen angekommen, nur um drei Monate später im Schlaf kaltblütig von Neonazis ermordet zu werden.
Dieser Anschlag gilt als einer der ersten dokumentierten rechtsterroristischen Anschläge in der Nachkriegs-BRD und reiht sich ein in eine Serie von Morden, die damals wie heute von den verantwortlichen politischen Kräften bagatellisiert und mit gespielter Aufrichtigkeit verurteilt werden. Châus und Lâns Schicksale sind ein Sinnbild für die Realität vieler migrantischer Menschen in Deutschland und waren ein Vorbote für das, was sie hier erwartete. Strukturelle Diskriminierung, Rassismus und Faschismus, die in mörderischer Gewalt gipfeln. Die inkonsequente „Aufarbeitung“ und das mangelnde Interesse an Aufklärung liegen in erster Linie daran, dass ein Aushebeln des verantwortlichen Systems, welches die Ungleichheit nicht nur begünstigt, sondern voraussetzt, um zu funktionieren, die Interessen der Kapitalistinnen gefährden.
Egal ob Halle, Hanau, der NSU oder Solingen:
Der Satz „Erinnern heißt kämpfen“ hat nicht an Aktualität verloren. Noch heute kämpfen Angehörige und damalige Zeug:innen um ein angemessenes Gedenken an Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân. Beide wurden auf dem Öjendorfer Friedhof begraben. Ihre Grabstellen wurden jedoch bereits vor Jahren ausgehoben. Auf Druck wurde 2020 ein Denkmal an ihrer ehemaligen Grabstelle errichtet. Bis heute erinnern vor dem Haus an der Halskestraße, was mittlerweile als Hotel genutzt wird, weder eine Gedenktafel noch ein Stein an Châu und Lân. 2024 erreichte schließlich die „Initiative für ein Gedenken an Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân“, dass die Halskestraße in Gedenken an Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân umbenannt wird. Am 11. Mai 2024 wurden die neuen Straßenschilder eingeweiht und stehen nach 44 Jahren symbolisch für einen immer weiterwährenden Kampf gegen Rassismus und rechten Terror in der BRD.