Am vergangenen Mittwoch jährte sich der Militärputsch des 11. Septembers 1973 in Chile zum 51. Mal. Anlässlich dieses Jahrestages fanden in Chile hunderte von Veranstaltungen statt, die an den Putsch gegen die sozialistisch geprägte Regierung Salvador Allendes und die von den USA aktiv unterstützte Errichtung der Diktatur Pinochets erinnerten, welche tausende Menschen das Leben gekostet hatte. In der Hauptstadt Santiago fand bereits wenige Tage zuvor ein Gedenkmarsch mit tausenden Teilnehmer:innen statt.
Schon am Sonntag vor dem 11. September versammelten sich verschiedene gesellschaftliche Gruppen wie politische Parteien, Menschenrechtsorganisationen und Organisationen der Opfer der Diktatur für einen Gedenkmarsch. Die chilenische Polizei, die mit einem starken Aufgebot präsent war, griff die Demonstration mit Wasserwerfern und Tränengas an. Dabei wurden etwa 30 Personen festgenommen.
Während des Gedenkmarsches kam es zu einem rechten Angriff, bei dem der Täter einen Demonstranten tödlich verletzte. Der 26-jährige Aktivist Alonso Verdejo erlag seinen Verletzungen im Krankenhaus. Zurecht stellen sich viele die Frage, wie erneut ein Rechtsradikaler in Anwesenheit der Polizei die linken Demonstrant:innen erreichen konnte. Das Nachrichtenportal amerika21 berichtet, dass derartige Angriffe in den letzten Jahren zugenommen haben und oft unter dem Schutz der Polizei geschehen. Bereits 2018 hatten maskierte Leute einen Protest anlässlich des Rechts auf Abtreibung angegriffen und dabei drei Frauen mit einem Messer verletzt.
In diesem Zusammenhang steigt auch die Kritik und Wut gegenüber der angeblich linken Regierung von Gabriel Boric, der 2021 mithilfe der protestierenden Massen zum Präsidenten gewählt worden war. Der Wahlerfolg des in Worten linken Bündnisses war gänzlich zurückzuführen auf die Massenproteste seit 2019, bei denen Millionen Menschen entschlossen auf die Straßen gegangen waren und soziale Gerechtigkeit gefordert hatten. Wie üblich und in der Geschichte schon oft genug vorgekommen, haben sich die „linken“ Wahlversprechen als leere Worte entpuppt und die von Boric geführte Regierung ist zu einem weiteren Hüter des kapitalistischen Systems geworden. Die propagierten sozialen und politischen Veränderungen sind ausgeblieben. Stattdessen werden diejenigen, die sich weiterhin konsequent dafür einsetzen, mit Polizeigewalt und Repressionen konfrontiert. Die Ironie an der Sache ist, dass sich Präsident Boric zum Vermächtnis des damals durch die Diktatur ermordeten Sozialisten Salvador Allende bekannte und nun diejenigen angreifen und festnehmen lässt, die an 1973 erinnern. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass die Zustimmung für Boric in offiziellen Umfragen erheblich gesunken ist. Damit kündigt sich erneut die Notwendigkeit von großen Massenprotesten in Chile an, bei denen die Millionen von Menschen dieses Mal das kapitalistische System selbst ins Visier nehmen, statt die Hoffnung in eine „bessere“ Regierung zu setzen.