September 8, 2024

Der wachsende Rechtsruck in Europa

Ungarn, Schweden, Polen, Niederlande, England, Österreich, Italien, Deutschland: Die Liste ist lang. Der Rechtsruck in europäischen Ländern breitet sich weiter aus und rechtspopulistische und rechtsradikale Parteien gewinnen zusehends an Einfluss und erreichen teils sogar Regierungsbeteiligungen. 

Nach den vorgezogenen Parlamentswahlen in Frankreich am 30. Juni und am 07. Juli war die Freude groß, als das Linksbündnis Nouveau Front Populaire mit 182 Sitzen als stärkste Kraft aus der Wahl hervorging. Die Rechtspopulisten um Jordan Bardella landeten nur auf Platz 3. Doch der Schein trügt: Auch, wenn die rechte Partei als Verliererin aus der Wahl hervorgegangen ist, erreichte die Anzahl an abgegebenen Stimmen für die Rechten ein Rekordniveau. Daran, dass Europa immer weiter nach rechts rückt, ändert auch der Wahlsieg des Linksbündnisses in Frankreich nichts. Auch bei der Wahl zum britischen Unterhaus konnte man eine ähnliche Entwicklung beobachten, als Nigel Farages Reform-UK Partei mit 10% der Stimmen zum ersten Mal ins Londoner Parlament gewählt wurde. In den Niederlanden ging bereits Ende 2023 das Rechtsaußen-Lager bei den Wahlen als Gewinner hervor und Geert Wilders‘ Partei regiert seitdem in Den Haag mit. In Polen vertrieb zuletzt ein liberales Bündnis die PIS von der Macht, aber die ehemalige rechte Regierungspartei gewann trotzdem 35 Prozent Stimmenanteil. In Deutschland ist die faschistoide AfD laut der Sonntagsfrage mittlerweile zweitstärkste Kraft nach der SPD.

Außerhalb der Parlamente zeigte sich der Rechtsruck in den letzten Wochen und Monaten vor allem durch gewalttätige Ausschreitungen von rechts. Besonders herausgestochen sind hier die Proteste in London und Bautzen: Am 29. Juli wurde der Mord an drei Mädchen im Alter von sechs, sieben und neun Jahren als Rechtfertigung für faschistische „Ausschreitungen“ in London präsentiert. Falsche Gerüchte und Vorwände, dass der Täter ein muslimischer Asylbewerber sei, wurden von Rassisten und Rechten verbreitet. Die Angriffe der einwanderungsfeindlichen, fremdenfeindlichen, rassistisch-faschistischen Massen auf Moscheen, Asylbewerberunterkünfte, Wohnungen und Arbeitsplätze von Einwander:innen und Hotels dauerten tagelang an. Sie zündeten Autos und Gebäude an und gerieten mit den Sicherheitskräften aneinander. 

Die Aggression der rassistisch-faschistischen Randalierer gegen diese Minderheiten und die Szenen, in denen sie den Nazigruß zeigen, wurden selbst von einigen liberalen und bürgerlichen Politiker:innen als „schreckliche Warnung“ bezeichnet. Wiederum andere Abgeordnete der britischen Reformpartei verteidigten die rassistisch-faschistischen Schläger als „besorgte britische Bürger“. Diese Welle der rechten Aggression schwappte auch auf Deutschland herüber. Nachdem es bei den CSDs in Duisburg und Essen bereits zu kleineren Störversuchen rechter Gruppen kam, wurden in Bautzen extremere Dimensionen erreicht: Am 11.08. zogen mehr als 700 Rechte einheitlich gekleidet durch die Straßen der Stadt, riefen rechte Parolen und forderten offen zur Gewalt auf. Die Polizei ließ sie dabei bis kurz vor dem dort stattfindenden CSD ziehen.

Die rassistisch-faschistische Gewalt der letzten Wochen war erschreckend, aber sie war kein plötzlicher Wutausbruch. Wachsende Ungleichheit, Verarmung und Arbeitslosigkeit, steigende Kosten, zunehmende Wohnungsnot, die Verschlechterung des Bildungs- und Gesundheitssystems, Inflation und Sparpolitik, kurzum, gewaltige soziale und wirtschaftliche Probleme haben die Arbeiter:innen und Werktätigen in Verzweiflung, Pessimismus und Zukunftsangst gestürzt und sie aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Infolgedessen hat sich in den Reihen der sozialen Klassen und Schichten eine große Unzufriedenheit und Wut angestaut. Rassistisch-faschistische Strömungen, die von den Herrschenden toleriert oder unterstützt werden, nutzten diese Unzufriedenheit aus und zeigten auf migrantische Menschen als Ursache des Übels. Der Weg die rassistisch-faschistische Eskalation zu stoppen liegt weiterhin darin, den antifaschistischen Kampf zu stärken und ihn mit dem Kampf gegen den Kapitalismus als Ursache der sozialen Probleme zu verbinden.