Vergangenen Samstag, den 17.08, sind in Indien über eine Millionen Ärztinnen und Ärzte in den Streik getreten. 24 Stunden lang legte die überwiegende Mehrheit der Mediziner:innen Indiens die Arbeit nieder. Der Auslöser für diesen, das Gesundheitssystem lahmlegenden Streik, war eine Gruppenvergewaltigung und Ermordung einer 31-jährigen Ärztin in Ausbildung aus Kolkata während ihrer 36 Stunden Schicht.
Übergriffe und patriarchale Gewalt stehen in Indien gegenüber Frauen leider an der Tagesordnung, besonders gegenüber den Inderinnen der unteren Kasten. Jede 15 Minuten wird in Indien eine Vergewaltigung an einer Frau zur Anzeige gebracht. Die Dunkelziffer ist mit aller größter Wahrscheinlichkeit um ein Vielfaches höher und man braucht sich auch keine Illusionen über die zur Anzeige gebrachten Vergewaltigungen machen. Die Allermeisten verlaufen ins Leere. Größtenteils aufgrund des Desinteresses der Polizei, der politischen Führung Indiens und des Systems in solchen Fällen und Situationen.
Ärztinnen sind dabei durch die überaus schlechten Arbeitsbedingungen, ein oft betroffenes Opfer von Übergriffen. Oft kommt es zu Übergriffen gegenüber Ärztinnen und ihrer Familie, wenn Patient:innen unter ihrer Obhut an ihren Krankheiten erleiden, obwohl sie alles in ihrer Macht stehende getan haben. Darüber hinaus sind sie meist auch noch, wie in dem Fall der als Auslöser dieses Streiks gilt, maßlos überarbeitet. 36 oder sogar 48 Stunden Schichten scheinen Normalität zu sein. Ein Gesundheitssystem, das auf solcher Ausbeutung beruht kann nicht gut sein für Ärzt:in oder Patient:in.
Genau gegen all diese Ungerechtigkeiten sind nun über eine Millionen Mediziner:innen in den Streik getreten und gehen auf die Straße. Für ein Gesundheitssystem, das für Patient:innen gut funktioniert und für Ärzt:innen nicht die Überarbeitung, Gewalt oder Tod bedeutet. Und für die Frauenrechte, die bei der politischen Führung Indiens ganz weit hinten angestellt zu sein scheinen, und für Aufklärung und härtere Bestrafung solcher Fälle.
Zu Beginn des Streiks und der Proteste, als sich in Kolkata etwa 8.000 Menschen zu einer ersten Demonstration formierten, war einer der mutmaßlichen Täter schon bekannt und festgenommen worden, aber wurde wieder frei gelassen. Der Grund dafür soll gewesen sein, dass er mit der lokalen politischen Führung gut vernetzt sei. Durch die Eskalation der Proteste zu einer landesweiten Bewegung, musste die politische Landschaft Indiens schnell reagieren. Präsident Modi sprach sich für „größere Dringlichkeit“ bei der Aufklärung von Vergewaltigungsfällen aus und die Ermittlungen zu dem Fall der 31-Jährigen Ärztin wurden an die Bundespolizei Indiens übergeben. Angesichts des bisherigen kompletten Desinteresses der Politik Indiens an dem massiven Vergewaltigungsproblem und an den immer noch massiven politischen, gesetzlichen, wie gesellschaftlichen Benachteiligung der Frau, sind diese Versprechungen wie leere Worte.
Genauso leer wie das seit Jahren und Jahrzehnten unterfinanzierte Gesundheitssystem. Zwar gibt es staatliche Krankenhäuser, die kostenlos zur Verfügung stehen, aber die medizinische Versorgung ist meist insuffizient und die Mitarbeiter:innen komplett ausgelaugt. Das Gesundheitssystem ist natürlich auch in zwei geteilt. Es gibt private medizinische Einrichtungen in denen die Behandlungen aber so teuer sind, dass sie sich nur die aller wenigstens Menschen leisten können, teilweise nicht einmal die Mitarbeiter:innen der Krankenhäuser selbst.
Die Streiks haben aber gezeigt, dass das Niederlegen der Arbeit direkte Auswirkungen zu zeigen scheint. Die Politik musste so schnell wie möglich antworten und besänftigen. Die Streikenden legten von einen auf den anderen Tag das Gesundheitswesen des bevölkerungsreichsten Landes dieser Erde lahm. Außerdem wurde die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf die Ungerechtigkeiten des kapitalistischen Systems gegenüber allen Arbeiter:innen und Werktätigen, aber besonders gegenüber den Frauen der Gesellschaft gelenkt. So wurde und wird immer wieder dargelegt, dass der Kampf der arbeitenden und werktätigen Klasse der Weg ist der zu Veränderungen führte und führen wird.