Von Folter, Misshandlung und Vergewaltigung berichteten in den letzten Wochen sowohl die UN als auch israelische und palästinensische Menschrenrechtsorganisationen. Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht der Militärstützpunkt Sde Teiman im Süden von Israel. Nach dem 7. Oktober 2023, bei dem fast 1200 Menschen getötet und über 240 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden, richtete das Militär dort ein Gefängnis für verdächtige Palästinenser ein.
Vor kurzem geriet Sde Teiman in die Schlagzeilen, als dutzende israelische rechte Nationalisten, darunter auch Knesset-Abgeordnete, den Militärstützpunkt und später das Militärgericht in Beit Lid stürmten. Sie protestierten gegen die Festnahme von neun Reservisten der israelischen Armee (IDF), denen vorgeworfen wird, einen palästinensischen Häftling vergewaltigt und so schwer misshandelt zu haben, dass er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Berichte über Folterungen gab es bereits im Dezember 2023: Augenzeugen, meist Ärzt:innen, berichteten davon, dass palästinensischen Häftlingen 24 Stunden am Tag für mehrere Wochen die Augen verbunden wurden und dass ihre Hände permanent auf dem Rücken gefesselt waren. Der Militärstützpunkt Sde Teiman wurde während dieser Zeit als „schwarzes Loch“ bezeichnet: Niemand wusste etwas von den Geschehnissen vor Ort, palästinensische Häftlinge wurden dort völlig abgeschottet von der Außenwelt, ohne Rechtsbeistand und ohne Anklage für Wochen festgehalten, denn Israels Gesetzgebung erlaubt Festnahmen für 90 Tage ohne Anwalt und ohne konkrete Anklage. Die israelische Armee und die Regierung weisen die Vorwürfe über systematische Misshandlungen in ihren Gefängnissen zurück; die errichteten Haftzentren würden unter Berücksichtigung der Menschenrechte agieren.
Über das Ausmaß der Misshandlungen in israelischen Haftzentren gibt der in diesem Monat erschienene Bericht „Welcome to Hell – The Israeli Prison System as a Network of Torture Camps“ von der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem Aufschluss. Der Bericht beleuchtet die extremen Bedingungen und die systematische Misshandlung, denen palästinensische Gefangene in israelischen Haftanstalten seit dem 7. Oktober 2023 ausgesetzt sind. Basierend auf den Aussagen von 55 palästinensischen Insassen zeichnet der Bericht ein Bild von weit verbreiteter Gewalt, sexuellen Übergriffen, Erniedrigungen, erzwungenen unhygienischen Bedingungen, Schlafentzug und der Verweigerung medizinischer Versorgung. Diese Handlungen werden als Teil einer institutionellen Missbrauchspolitik verstanden, die von den israelischen Behörden, insbesondere unter der Leitung des Ministers für Nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir, organisiert und gefördert wird. Der Bericht deckt auf, dass die Misshandlungen systematisch und weit verbreitet sind und die israelischen Gefängnisse de facto in Folterlager verwandelt wurden. Die Gefangenen sind nicht nur körperlicher Gewalt und psychischer Folter ausgesetzt, sondern auch einem Entzug der grundlegendsten Bedürfnisse wie Nahrung, Wasser und medizinische Behandlung. Besonders erschreckend ist die Tatsache, dass seit Beginn des Konflikts mindestens 60 palästinensische Gefangene in israelischem Gewahrsam gestorben sind. Einige dieser Todesfälle stehen in direktem Zusammenhang mit Gewalt und Vernachlässigung durch das Gefängnispersonal. Der Bericht unterstreicht, dass die israelische Regierung Notstandsregelungen ausnutzt, um diese Menschenrechtsverletzungen zu rechtfertigen, was zu einer systematischen Aberkennung der grundlegendsten Rechte palästinensischer Gefangener führt.
Die deutsche Regierung hat sich zu diesen neuen Erkenntnissen noch nicht geäußert und versichert in einer gestrigen Pressemitteilung: „Deutschland steht an der Seite Israels“. Auch zu dem israelischen Luftangriff auf eine UN-Schule, bei dem mindestens 16 Menschen ums Leben gekommen sind, kam keine Reaktion. Als wäre das nicht genug, folgten zudem noch weitere Angriffe auf Schulen, bei denen über 100 Menschen ums Leben kamen. Die unerschütterliche Solidarität Deutschlands gegenüber Israels genozidaler Absichten in Palästina lässt darauf schließen, dass für die geopolitischen Interessen des Westens auch in den nächsten Wochen noch weiter Blut vergossen wird.