Am 30.08.2024 wurden nach dem Messerangriff in Solingen 28 Männer nach Afghanistan abgeschoben. Dieser Abschiebeflug war reine Symbolpolitik und sollte den Kritiker:innen zeigen, dass die Ampelregierung durchgreifen kann. CDU-Chef Friedrich Merz hatte nach dem Anschlag erklärt, dass Deutschland sich in einer „nationalen Notlage“ befinde und die unregulierte Migration für das Attentat verantwortlich sei. Er forderte zudem einen sofortigen Stopp der Aufnahme von Menschen aus Syrien und Afghanistan. Die Ampelregierung reagierte, indem Finanzminister Christian Lindner strikte Kürzungen bei den Leistungen für Asylsuchende vorschlug und Innenministerin Nancy Faeser die ersten Abschiebungen nach Afghanistan seit der Machtübernahme der Taliban ankündigte. Es bleibt fraglich, ob diese Maßnahmen tatsächlich islamistische Radikalisierung verhindern können. Islamismus ist keine Frage von Migration, sondern ein sowohl globales als auch nationales Problem, da viele als gefährlich eingestufte Islamisten deutsche Staatsbürger sind.
Seit 2015 wird vermehrt diskutiert, ob es einen Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und islamistischer Radikalisierung gibt. Viele der europäischen Dschihadisten, die 2015 nach Syrien gingen, um sich dem IS anzuschließen, stammten aus sozial und wirtschaftlich benachteiligten Stadtteilen. Die Frustration junger Islamisten basiert oft auf einer subjektiven Wahrnehmung von Ungleichheit, und sozioökonomische Benachteiligung könnte diese Wahrnehmung verstärken. Maßnahmen, die soziale Ausgrenzung und Isolation fördern, wie etwa drastische Kürzungen der Flüchtlingsleistungen, sind dementsprechend kontraproduktiv.
Amnesty International hat die Abschiebungen nach Afghanistan scharf kritisiert und der Bundesregierung vorgeworfen, ihre „völkerrechtlichen Verpflichtungen“ zu verletzen. Die Menschenrechtsorganisation weist darauf hin, dass Afghanistan und Syrien weiterhin unsichere Herkunftsländer sind und das Taliban-Regime von „außergerichtlichen Hinrichtungen, Verschwindenlassen und Folter“ geprägt ist. Die Abschiebung in ein solches Regime würde dessen Praktiken nur legitimieren. Zudem verhängte die Taliban kürzlich ein neues „Tugendgesetz“, das Frauen untersagt, sich öffentlich zu äußern. Annalena Baerbock hatte dieses Gesetz erst vor einer Woche scharf verurteilt, unterstützt aber nun die Abschiebungen nach Afghanistan.
Nach dem Anschlag in Solingen schrieb Baerbock auf Instagram: „Islamismus tötet“. Es scheint, als würde die Bundesregierung unterscheiden, welche Opfer des Islamismus betrauert werden und welche nicht. Die Vorstellung scheint zu sein, dass Extremismus in Afghanistan und Syrien akzeptabel ist, solange er nicht in Deutschland stattfindet. Dies ignoriert jedoch, dass Islamismus ein globales und deutsches Problem darstellt. Nachhaltige Lösungen können nur durch Maßnahmen erreicht werden, die der Radikalisierung in Deutschland direkt entgegenwirken. Ein pauschaler Verdacht gegenüber ganzen Herkunftsgruppen führt nur zu gesellschaftlicher Spaltung und kann rechten Terror gegenüber unschuldigen Menschen begünstigen, wie kürzlich in England zu sehen war.