September 8, 2024

Olympia 2024 in Paris: Stadt vertreibt Obdachlose

Wegen der olympischen und paralympischen Sommerspiele 2024 in Paris möchte die Stadt dieses Jahr besonders glänzen: Hilfsorganisationen werfen der Stadt vor, sie hätte in den letzten Wochen fast 13.000 Menschen aus dem Stadtbild vertrieben. Darunter seien Asylbewerber:innen, Prostituierte, Drogenabhängige, aber auch Kinder mit und ohne ihre Familien; also Menschen, die sowieso schon mit prekären Lebensbedingungen zu kämpfen haben und nun ohne einen vernünftigen Grund ihre gewohnte Umgebung verlassen mussten. 

Sie wurden mit Bussen in einige Kilometer entfernte, provisorische Zentren gebracht, die kurzfristig errichtet wurden und sie auch von ihren Hilfsnetzwerken isolieren. Die Hilfsorganisation Médecins du Monde wirft der Stadt damit eine „soziale Säuberung“ vor: Das Elend soll unter den Teppich gekehrt werden, damit Paris während der Sommerspiele möglichst gut dasteht. Diese Maßnahme der Stadt Paris erschwert nicht nur den Betroffenen das Überleben, sondern hindert auch Organisationen wie Médecins du Monde daran, Hilfe zu leisten. Auch sie müssen teilweise ihre Standorte wechseln, wovon viele der Menschen nichts mitbekommen. Das sorgt dafür, dass Bedürftige nicht die Hilfe bekommen, die sie brauchen. 

Um eine langfristige Abhilfe zu schaffen, werden in ganz Frankreich derzeit 20.000 Wohnungen benötigt. Die Stadt Paris weist das Problem jedoch von sich. Für die knapp 3600 Obdachlosen sei nämlich die Regierung zuständig. Es sei ihre Aufgabe, Notunterkünfte bereit zu stellen. Die Stadt dagegen habe keine Ressourcen und kein Geld dafür, sich adäquat um die Menschen zu kümmern, die auf der Straße leben.  

Das Problem der Obdachlosigkeit ist fester Bestandteil des Kapitalismus: Wer kein Einkommen hat, findet auch keine menschenwürdige Wohnung. Während eine einfache Wohnung für manche unbezahlbarer Luxus ist, sind Wohnungen für andere eine Geldanlage. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit, Arbeitslosigkeit und die oft vorausgehende Armut sind direkte Folgen der Probleme und Widersprüche dieses Systems. Manchmal reicht die Trennung vom Partner oder der Verlust des Jobs wegen Krankheit, um in einen Abwärtsstrudel zu geraten und am unteren Ende der gesellschaftlichen Leiter zu landen. 

Arbeitslosigkeit ist oft ein zentraler Faktor für Obdachlosigkeit, doch das System des Kapitalismus profitiert von der Arbeitslosigkeit der Menschen, denn eine erhöhte Anzahl an Arbeitslosen ist aus zwei Gründen nützlich: Erstens sind Mitarbeiter:innen durch die erhöhte Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt leichter austauschbar, was ihre Verhandlungsmacht für bessere Löhne schwächt. Zweitens kann das Kapital in Zeiten des wirtschaftlichen Wachstums auf diese „Reserve“ an Arbeitslosen zurückgreifen und mehr Stellen besetzen. Deshalb ist Vollbeschäftigung im Kapitalismus eher selten und auch nicht von Dauer. Außerdem dient das Schicksal der Ärmsten unserer Gesellschaft als Abschreckung für diejenigen, die überlegen, schlecht bezahlte Jobs abzulehnen. Die Angst vor Arbeitslosigkeit hält viele davon ab, höhere Löhne zu fordern oder sich grundsätzlich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. 

Aus diesen Gründen hat der bürgerliche Staat kein Interesse daran, das Leben der Betroffenen zu verbessern. Wenn die Verelendung jedoch zu sichtbar wird, wird sie für die herrschende Klasse zum Problem, da sie die Innenstadt für Tourismus und Luxusinvestitionen unattraktiv macht. Statt auf gut bezahlte Arbeit und Wohnraum für alle zu setzen, wird auf Gewalt und Vertreibung gesetzt, um das Problem zu lösen. Das ist natürlich nicht nur in Paris so: in den Großstädten weltweit zeigt sich, dass Armut und Obdachlosigkeit fest im Kapitalismus verankert sind, und das effektivste Mittel dagegen ist, dieses System zu bekämpfen.