April 29, 2024

Afghanistan – Die Trümmer einer imperialistischen Invasion

Seit vielen Jahrzehnten wüten die islamistischen Taliban in Afghanistan. Mit der erstmaligen Erscheinung der terroristischen Organisation im September 1994 in Kandahar begann für das Land eine Zeit, die von Gewalt und Terrorismus geprägt ist. Vor zwei Monaten zogen die USA und auch die BRD ihre Truppen aus Afghanistan ab. Die Bilanz des Militäreinsatzes ist katastrophal: Nach 20 Jahren Besatzung und dem utopischen Versuch, einem Land westliche Regeln und Normen überzustülpen, wurde die Bevölkerung sich selbst überlassen. Hinterblieben sind Generationen von traumatisierten Afghanen und ein Land in Trümmern, welches nun durch eine erneute Machtübernahme der Taliban zum Opfer fällt, die die afghanische Bevölkerung gewaltsam dazu zwingen, nach den Regeln eines islamischen Staats zu leben.

Was geschah in den letzten Wochen?

Nach langen Verzögerungen haben die US-Streitkräfte in diesem Jahr ihre Truppen aus Afghanistan Stück für Stück abgezogen. Seitdem sind die Taliban in die Offensive gegangen und haben versucht, das Land durch einen bewaffneten Angriff zurückzuerobern. Dabei übernahmen sie unter anderem die Waffenlager und Stützpunkte des US-Militärs. Der Grund für die widerstandslose Übergabe seitens des US-Militärs sei die Priorisierung der schnellen Evakuierung der eigenen Streitkräfte gewesen.

Die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung hat einen Rekordwert erreicht und fast 3 Millionen Menschen sind derzeit auf der Flucht. Humanitäre Hilfsorganisationen berichten von Lebensmittelknappheit, überlaufenen Krankenhäusern, geschlossenen Büros und Schulen. Hinzu kommt die gezielte Ermordung von Aktivist:innen, Demonstrant:innen, unschuldigen Zivilist:innen und Journalist:innen aus dem In- und Ausland. Die Taliban kontrollieren derzeit 223 Bezirke im Land. Der afghanische Präsident hat das Land bereits verlassen. Um 116 Bezirke wird derzeit weitergekämpft. In den Bezirken, die die Taliban kontrollieren, haben sie eine brutale Auslegung der islamischen Scharia durchgesetzt und terrorisieren die Menschen mit ihrer Gewalt. Besonders betroffen sind hiervon Frauen, welche nicht ohne eine Vollverschleierung und in Begleitung eines Mannes das Haus verlassen dürfen. Zudem sind alleinstehende Frauen und Witwen Vergewaltigungen und Zwangsheirat ausgesetzt.

In der Hauptstadt Kabul, in die viele Menschen geflohen sind, da sie zunächst als sicher galt, errichteten die Taliban stadtweit Kontrollstützpunkte. Der Flughafen, der für viele die letzte Hoffnung zur Flucht darstellt, kollabiert seit Tagen. In den Medien kursieren zahlreiche Videos, in denen Menschen verzweifelt versuchen, in Flugzeuge zu gelangen, um das Land verlassen zu können. Das US-Militär sichert derzeit den Flughafen mit rund 2500 Soldaten, um eine Evakuierung der eigenen Landsleute und Regierungsmitarbeiter:innen zu gewährleisten. Der US-Präsident Biden äußerte sich zu der derzeitigen Lage und dem Abzug des US-Militärs wie folgt: „Jetzt zu gehen, war die richtige Entscheidung. Amerikanische Soldaten sollten nicht in einem Krieg sterben, den nicht einmal die afghanische Armee für sich selbst zu kämpfen bereit ist.“

Historischer Rückblick

Der Ursprung der Taliban liegt in der Bildung der „Mudschaheddin“, die als Soldaten ab 1979 versuchten, das damalige „kommunistische“ Regime zu stürzen und einen islamischen Staat zu errichten. Sie wurden in ihrem Vorhaben von den USA und anderen Ländern aktiv mit Waffen und Geheimdienstinformationen unterstützt. 1992 wurde die Regierung dann gewaltsam zu Fall gebracht. Seitdem kämpften verschiedene Gruppen der Mudschaheddin untereinander um das Land und der Bürgerkrieg dauerte weitere neun Jahre an. Die Taliban wurden in dieser Zeit von einem ehemaligen Mudschaheddin-Kommandeur, Mohammed Omar, gegründet. 1996 gingen die Taliban als Sieger der Kämpfe hervor, übernahmen die Kontrolle und zwangen dem Volk eine strenge Scharia auf.

Im Jahr 2001, nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001, wendete sich das Blatt erneut. Osama Bin Laden – der Anführer und Gründer der islamistischen Al Quaida – galt als Verantwortlicher für die Anschläge, doch die von den Taliban in Afghanistan geförderte Al-Qaida weigerte sich, Osama bin Laden an die USA auszuliefern. Dies nahm die USA zum Anlass, um erstmals in Afghanistan einzumarschieren und die Taliban zu stürzen. Nach etwa zehn Jahren fassten die USA den gesuchten Bin Laden, nach weiteren zehn Jahren – im Juni 2021- verließen sie Afghanistan.

 Resultat des Imperialismus

Der Zustand, in dem sich das Land heute befindet, ist krisenhafter als vor 20 Jahren. Dabei ist der Ausgang des imperialistischen Eingriffs keine Überraschung. Auch den Verantwortlichen in Washington war seit Langem klar, dass der Afghanistankrieg militärisch nicht zu gewinnen war. Während die Arbeiter:innen und Werktätigen, die Armen und die Frauen, die unter den Taliban am stärksten leiden werden, sich selbst überlassen sind, sind die Reichen damit beschäftigt, sich selbst zu retten bzw. gerettet zu werden.

Der afghanische Staat diente dem US-Imperialismus lediglich als Werkzeug zur Besatzung Afghanistans und setzte sich aus den reaktionärsten Kräften zusammen, die zu jederzeit bereit waren, ihr Land zu verkaufen. Der Staat diente vor allem als “Deckmantel” für den US-Imperialismus und nicht als Schutz für die eigene Bevölkerung, was durch den Vormarsch der Taliban schnell erkennbar geworden ist. Zudem wurde durch das Vorgehen der USA der Taliban überhaupt erst ermöglicht, sich geplant auf eine Machtübernahme vorzubereiten, da das Datum des US-Abzugs bereits Monate im Voraus bekanntgegeben worden war. Die gleichen Großmächte, die den Einzug in Afghanistan damit begründeten, dort Menschenrechte und eine Demokratie zu installieren, ziehen sich nun aus Afghanistan zurück, nachdem sie ihre politischen und wirtschaftlichen Interessen verfolgt und der Bevölkerung ein mörderisches Regime hinterlassen haben. Hierbei ist auch die Verantwortung des deutschen Staates nicht zu vergessen, dessen Bundesregierungen samt aller beteiligten Parteien bis heute ausnahmslos die militärische Invasion in Afghanistan unterstützt haben.

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