In der libanesischen Hauptstadt Beirut wurden erneut Banken angegriffen. Scheiben wurden eingeschmissen, Reifen in Brand gesetzt und Geldautomaten zerstört. „Die Banken im Libanon stehlen unser Geld!“ war der Ausruf der Demonstrant:innen. An den Banken können Kunden nur noch begrenzt Bargeld abheben. Ein Ausdruck des Misstrauens und der Machtlosigkeit gegenüber den Banken zeigt sich in der Gründung des Verbandes Depositers Outcry Association, welcher zu Beginn der aktuellen libanesischen Wirtschaftskrise 2019 gegründet wurde. Der Verband unterstützt Menschen dabei, an ihr Geld zu kommen.
Die andauernde Krise im Libanon ist überall zu sehen. Das Straßenbild ist geprägt von Generatoren und Wasserpumpen, die die fehlende staatliche Versorgung kompensieren. Ausgeschaltete Ampeln, randvolle Müllcontainer, in denen Menschen nach Essen suchen sowie Rauch und Sirenen der Proteste sind Hinweise für die zunehmende Verschärfung der Krise und einem zerfallenden Staat. Die Korruption, die große Hafenexplosion von 2020, aber auch der Einfluss des Irans in Form der Hisbollah haben das Land weiter in die Krise geworfen. Das Land driftet zunehmend weiter Richtung Abgrund. Sei Oktober ist das Amt des Präsidenten nicht mehr besetzt. Die staatliche Organisation versagt zusehends. Banküberfälle sind an der Tagesordnung. Sie werden von der Bevölkerung oft nicht nur toleriert, sondern sogar noch unterstützt. Selbst Polizisten feuern die Bankräuber an. Portemonnaies gibt es auch schon lange nicht mehr, eine Kartenzahlung auch nicht. Der Einkauf erfolgt mit Geld, welches abgepackt in Einkaufstüten ist. Drei Viertel der Libanes:innen leben in Armut. Ein weiteres Problem sind die Spannungen unter den verschiedenen Glaubensgruppen im Land. Zwischen den verschiedenen christlichen Minderheiten (z.B. den armenischen Orthodoxen, maronitische Christen, rum-orthodoxen Christen,…), den muslimischen Minderheiten (schiitisch, sunnitisch,…) kommt es zuletzt vermehrt zu Konflikten. Es droht erneut ein Bürgerkrieg.
Der Libanon ist das Land mit den meisten pro Kopf gemessen aufgenommenen Geflüchteten in der Welt. Auch an dieser Stelle brodelt es, es soll zu Abschiebungen und sogar Erschießungen von Geflüchteten aus Syrien und anderen Ländern gekommen sein. Dabei verlassen nun auch viele Libanes:innen das Land Richtung Europa.
Währenddessen werden in der Festung Europa sogenannte Pull-Effekte diskutiert und wie man weitere Anziehungsgründe für die Flucht nach Europa mit einschränkenden Maßnahmen verringern kann. Gleichzeitig macht sich durch die Lage im Libanon bemerkbar, dass die Push-Faktoren, also jene, die die Bevölkerung aus dem Land herausdrängen, stärker werden und immer mehr Menschen zur Flucht veranlassen. Die Zahl der Toten im Mittelmeer oder auch auf anderen Routen dürfte also leider noch weiter steigen.