April 26, 2024
Bild: dpa/Fabian Sommer

Demoverbot am Al-Nakba-Tag – Was führt der deutsche Staat im Schilde?

In Berlin wurde von der Organisation „Palästina Spricht“ eine Demonstration am Al-Nakba-Tag, dem 15. Mai, angemeldet. Zwei Tage vor diesem Tag erhielt der Anmelder der Veranstaltung einen Brief von der Berliner Polizei, in dem ein Verbot der Demonstration ausgesprochen wird. Das war das zweite Mal im Jahr 2022, dass „Palästina Spricht“ ein Demoverbot bekommt. 

Nach den Angriffen des israelischen Militärs auf muslimische Palästinenser:innen in der Al-Aqsa Moschee und auf christliche Palästinenser:innen, die daran gehindert wurden, die Kirche des heiligen Sepulchre in Jerusalem zu betreten, wurden in Berlin palästinasolidarische Versammlungen bis zum 1.Mai 2022 verboten. Vorwand für die Verbote war u.a. „potenzieller Antisemitismus“. Doch nicht nur die Organisation „Palästina Spricht“ ist betroffen. Die Versammlung von Die Linke Neukölln gegen das Verbot und für Meinungs- und Pressefreiheit wurde ebenfalls verboten. Die Organisation „Jüdische Stimme“ meldete eine Mahnwache in Gedenken an die palästinensische Al-Jazeera Journalistin Shireen Abu-Akleh an, die von israelischen Streitkräften ermordet wurde. Auch diese Versammlung wurde untersagt. Das Erinnern an die fortwährende Besatzung Palästinas und das Gedenken an die Millionen vertriebenen, entwurzelten oder ermordeten Palästinenser:innen – gerade am Al-Nakba-Tag – ist jedoch legitimer Widerstand gegen den anhaltenden zionistischen Siedlungskolonialismus.

Deutschland hat ein Antisemitimusproblem. Seit zwei Jahren laufen Neonazis und Holocaustleugner:innen ungehindert durch die Straßen, um ihre rassistischen Verschwörungstheorien zu verbreiten. Würde dem deutschen Staat etwas an der Bekämpfung von Antisemitismus liegen, müsste er vor allem in den eigenen Reihen ermitteln. Deutsche Polizist:innen berieseln Holocaustleugner:innen auf ihrem Demonstrationszug nicht nur mit Luftküssen und liebevollen Handgesten. Sie greifen antifaschistische Gegenproteste brutal an. Sie verbringen ihre Zeit in rassistischen und nazistischen Chatgruppen. Sie geben Daten an Dritte weiter. Das zeitnahste Beispiel ist der Zwickau-Revierleiter Kai-Uwe Mittmann. Anfang Mai gibt er offen zu, dass er die führenden Köpfe unter den Coronademonstrant:innen gut kennt. Mitte Mai wird er entlarvt, Polizeiinterna an Rechtsradikale weitergegeben zu haben. 

Das ist kein Einzelfall. Immer wieder entlarven sich rechte Netzwerke in Polizei und Bundeswehr. Dass palästinasolidarische Juden:Jüdinnen daran gehindert werden, gegen den rassistisch-zionistischen Staat Israel und seine Brutalität u.a. gegen Pressefreiheit zu demonstrieren, zeigt das wahre Interesse des deutschen Staates. Deutschland benutzt jüdische Existenz, um sich von seiner nicht aufgearbeiteten Nazi-Geschichte reinzuwaschen; natürlich nur, solange jene jüdische Existenz seinen Imperialismus nicht anprangert. Das ist antisemitisch, nicht die Palästinasolidarität. Diese Vorfälle reihen sich ein in die lange Liste der Repressionen gegen linke, fortschrittliche Kräfte. Ob jüdisch, israelisch oder palästinensisch interessiert den deutschen Imperialismus nicht. 

Die deutschen Behörden wollten mit allen Mitteln verhindern, dass in der Hauptstadt, in der die größte palästinensische Community Europas lebt, Tausende gegen ihren kolonialen Bündnispartner und gegen Apartheid kämpfen. Doch die Berliner:innen widersetzten sich den Repressionen. Überall in der Stadt wurden Palästina-Fahnen aufgehangen, das traditionelle Kuffiyeh Tuch wurde getragen. Ein Mitglied der Gruppe „Palästina Spricht“ berichtete, dass zwei Menschen mit Palästina-Symbolen, die zusammen auf der Straße gingen, von der Polizei direkt als illegale Versammlung gewertet und deshalb schikaniert wurden. Die Gruppe rief zudem dazu auf, die Kuffiyeh und Kleidung in Farben der Wassermelone auf öffentlichen Plätzen zu tragen, um ihrer Solidarität Ausdruck zu verleihen. 

Auf dem Hermannplatz im Stadtteil Neukölln war ein „Flashmob“ für ein einfaches Gruppenbild genug, um nach wenigen Sekunden von mehreren Mannschaftstruppen der Polizei eingekesselt zu werden. Es kam zu einigen Festnahmen. Eine Person musste mit einer ausgekugelten Schulter ins Krankenhaus. Eine Demonstration in Neukölln gegen Umweltzerstörung im Süden forderte neben Klimagerechtigkeit auch das Selbstbestimmungsrecht und die Freiheit der Völker. Lautstark und solidarisch wurden pro-palästinensische Parolen gerufen. Die Palästinasolidarität war der Berliner Polizei ein Anlass, gegen die Demonstration vorzugehen. Der Demonstrationszug wurde in eine Seitenstraße gelenkt, sodass die Polizei gewaltsam eindringen konnte und Teilnehmer:innen festnahm. 

Deutsche Politiker:innen und bürgerliche Medien versuchen, das rassistische Narrativ der „aggressiven“, „unberechenbaren“ und „antisemitischen“ Migrant:innen aufrechtzuerhalten und zu bestärken. Einerseits lenkt das die Probleme auf eine andere Zielgruppe und Migrant:innen erfüllen weiterhin ihre Rolle als „Sündenböcke“ innerhalb dieses rassistischen Systems. Andererseits soll dieses Narrativ den schleichenden Eingriff in unsere demokratischen Rechte legitimieren. Revolutionäre Kräfte, die die Scheinheiligkeit des deutschen Staates aufdecken und den deutschen Imperialismus an den Pranger stellen, sind dem deutschen Kapital ein Dorn im Auge. Aus diesem Grund fordert die Berliner CDU einen einfachen Prozess für die Berliner Polizei, was das Verbot von Demonstrationen betrifft. Bisher trafen die Gerichte die endgültige Entscheidung über Versammlungsverbote. Nun soll die Polizei Berlin mehr Rechte bekommen, um nach „Gefühl“ und „Ahnung“ Versammlungen vorzeitig auflösen oder im Voraus verbieten zu können. 

Der Wunsch des deutschen Staates nach mehr Polizeimacht ist jedoch nicht neu. Seit 2021 zielt z.B. ein Gesetzesentwurf in Nordrhein-Westfalen zum „Versammlungsgesetz“ genau darauf ab: die Polizei soll nach „Gefühl“ eingreifen können. Welches Gefühl die Einsatztruppen bei linken Demonstrationen verspüren, lässt sich nur durch vergangene Erfahrungen vermuten. Im Sommer 2021 wurde die Demonstration gegen dieses staatliche Pilotprojekt brutal angegriffen. Ein halbes Jahr später nutzt die CDU Berlin die Gelegenheit, diese Idee noch einmal aufzugreifen und weiterhin Rassismus zu schüren. 

Bereits ohne diese polizeilichen Sonderrechte werden immer öfter und brutaler linke Bewegungen angegriffen und kriminalisiert. Konsequenzen gibt es für die Polizei keine, dafür aber mediale Hetze und bürokratischer Terror für Aktivist:innen. Was passiert erst dann, wenn ihre brutale und demokratiefeindliche Vorgehensweise rechtlich legitimiert wird? Das darf allen ein Warnschuss sein. Der deutsche Staat brüstet sich in der jetzigen Krisenzeit gegen revolutionäre Bewegungen. Gegen diese Repressionen muss aktiv Widerstand geleistet werden.

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