Mit der Pandemie verschärfen sich die Krisen in diesem System immer weiter. In Frankfurt konnte aus diesem Anlass heraus das „Revolutionärer Erster Mai“-Bündnis entstehen. Wir als Resistance konnten mit einem der Genossen ein Interview führen, um Näheres darüber zu erfahren.
1. Kannst du dich einmal kurz vorstellen?
Ich bin Torsten und Teil des „Revolutionären Ersten Mai“-Bündnisses in Frankfurt. Wir sind ein Bündnis, welches sich ganz frisch 2021 gründete. Wir haben uns eigentlich aus mehreren Gründen zusammengefunden: Einerseits weil wir denken, dass sich die Kämpfe, die während der Corona-Krise entfacht wurden, wie beispielsweise die Frage nach solidarischer Gesundheitsvorsorge, Arbeitsbedingungen in der Pflege und ganz allgemein der Arbeiter:innenrechte, in dieser Zeit immer weiter zuspitzen. Das heißt es stellt sich die Frage: Wer muss diese Krise bezahlen; auf wessen Rücken wird sie ausgetragen? Andererseits denken wir, dass die traditionellen Demonstrationen, wie die vom DGB am Morgen des 1. Mai, nicht die richtigen bzw. unzureichende Antworten auf diese Frage liefern.
2. Wie haben sich die verschiedenen Organisationen zusammengefunden?
Im Frühjahr haben wir verschiedene Organisationen eingeladen, von denen wir wussten, sie teilen ähnliche Ansichten. Diese bestehen vor allem darin, dass der Kapitalismus als System nicht reformierbar ist. Dass der Kapitalismus für die Mehrheit der Menschen Not und Elend bedeutet und nur für eine Minderheit Luxus und ein gutes Leben. Dass wir uns aufgrund verschiedener Lebensrealitäten und unterschiedlicher Unterdrückungs- und Ausbeutungserfahrungen nicht vereinzeln lassen dürfen, sondern dass es gerade gilt, diese verschiedenen Perspektiven anhand einer revolutionären Perspektive zu bündeln, die vom Sozialismus und Kommunismus führt.
3. Wie lauten die genauen Forderungen des Bündnisses?
Wir als Bündnis gehen insbesondere von den Kämpfen aus, welche aktuell stattfinden. Die Kämpfe, die von der Arbeiter:innenklasse geführt werden, dazu zählen wir explizit auch diejenigen Arbeiter:innen, die im kapitalistischen Lohnsystem nicht auftauchen: Arbeitslose, illegalisiert arbeitende Menschen sowie Frauen*, die täglich unentlohnte Reproduktionsarbeit u.a. in den Familien leisten. Auch Kämpfe von diversen politischen Widerstandsbewegungen werden von uns unterstützt und geführt, wie beispielsweise antirassistische Kämpfe von Migrant:innen, die Black Lives Matter Bewegung im letzten Jahr, der antikapitalistische Kampf der Ökologie Bewegung. Auch der Kampf für mehr Lohn, mehr Tarifrechte und insgesamt menschenwürdige Arbeitsbedingungen gehören zu unseren Zielen.
4. Wieso ist es wichtig, dass man zusätzlich zu der DGB Demonstration, an der revolutionären Demo am Abend teilnimmt?
Wir denken, dass die DGB Demo, welche es schon seit vielen Jahren in Frankfurt gibt, ein sehr wichtiger Teil linker Demokultur darstellt. Unser Problem damit ist aber, dass vor allem reformistische Forderungen im Vordergrund stehen. Auf die Straße werden sozusagen nur die entpolitisierten Forderungen der DGB getragen. Der DGB ist sich nicht einmal zu schade einen korrupten SPD-Bürgermeister sprechen zu lassen. Bei der Demonstration werden ganz bewusst auch die revolutionären Forderungen nach hinten gedrängt. Auch wenn viele revolutionäre und sozialistische Positionen jedes Jahr vertreten sind, kommen diese bei der öffentlichen Wahrnehmung nicht zu tragen und am Ende haben sie keine Stimme mehr. Darüber hinaus werden unserer Wahrnehmung nach bei der DGB Demo weite Teile derjenigen, die Teil der Arbeiter:innenklasse sind, aber aus Sicht des kapitalistischen Lohnsystems darin nicht aufgehen, nicht mitgedacht: Frauen und/oder Migrant:innen die unentlohnte Hausarbeit leisten, Jugendliche die zum Hartz4 der Familie „illegal“ dazuverdienen müssen uvm.
Deshalb denken wir gar nicht in Abgrenzung zu der DGB Demonstration morgens, sondern vor allem als Ergänzung. Wir denken, der Tag der Arbeiter:innen braucht eine revolutionäre Perspektive, die aufzeigt, dass das System in welchem wir leben müssen aber nicht mehr können, überwindbar ist. Mit dieser Entschlossenheit wollen wir die Demonstration am Abend verwirklichen und sichtbar machen, dass viele Menschen unzufrieden sind und so nicht mehr weitermachen können und wollen.
5. Was konntet ihr als Bündnis schon machen, um wirklich auch die Arbeiter:innenklasse zu erreichen?
Wie vorhin auch schon gesagt stehen wir hinter vielen politischen Widerstandsbewegungen, wie Antifaschismus, Ökologie und Feminismus; viele der im Bündnis beteiligten Gruppen arbeiten zu diesen Themen. Der Erste Mai ist in erster Linie der Tag der Arbeiter:innenklasse, deshalb sind wir in unterschiedlichen klassenkämpferischen Aktivitäten beteiligt: Sei es jetzt der Kampf der WISAG- Arbeiter:innen, die für ihre Rechte auf die Straßen gehen und das auch ohne Unterstützung der Gewerkschaft Ver.di oder der Kampf gegen Anwält:innen und Kanzleien, welche explizit Union-Busting (Gewerkschafts-Zerstörung) betreiben. Klassenkämpferische Forderungen am 8. März für die Einforderungen der Frauenrechte gehören ebenfalls zu unseren Aktionen, wie das Zusammendenken und gebündelte Bekämpfen kapitalistischer Widersprüche wie Rassismus, Sexismus und Kapitalherrschaft.
6. Welche Bedeutung hat der 1. Mai ganz besonders im Jahr der Pandemie?
Wir leben jetzt schon seit über einem Jahr in der Pandemie. Es ist klar, dass der Kapitalismus und die kapitalistischen Staaten keine Antworten haben auf die dringenden Fragen, welche diese Pandemie mit sich bringt. Es ist klar, dass die Krisenverwaltung nicht funktioniert hat. Die Staaten wollen die Kosten auf die Arbeiter:innenklasse abwälzen und sind nicht bereit, die Pandemie konsequent zu bekämpfen. Konsequent heißt in dem Fall, die Betriebe zu schließen, die Arbeiter:innen zu unterstützen und auch Selbstständige nicht in den Abgrund treten zu lassen. Diese Staaten und ihre Regierungen wollen das nicht, denn sie wollen die Produktion immer weiter am Laufen halten, nach dem Motto: Virus in der Kneipe, aber nicht im Betrieb. Wir sagen ganz klar, die Bekämpfung geht nur solidarisch und gemeinsam. Es geht nur mit einer Gesundheitsversorgung für alle und nur mit einer gemeinsamen Anstrengung, die nicht die Wirtschaft ausspart. Man muss alles dicht machen, sonst wird das nicht funktionieren.
Auch die Frage nach Impfstoffgerechtigkeit ist für uns sehr wichtig. Immer noch verhindern Patente, dass Impfstoffe für alle hergestellt werden in einer bezahlbaren Form. Einerseits für die Menschen in Deutschland, aber auch für die Länder im globalen Süden.
Diese Staaten, die so eine Misswirtschaft betrieben haben mit einer so großen Fehlkalkulation, sind sich nicht einmal zu schade die Kosten dafür auf dem Rücken der Arbeiter:innen auszutragen.
Deshalb denken wir, wird der 1. Mai ein Kristallisationspunkt sein für all diese Kämpfe, die gegen die Krise des Kapitalismus stattfinden.
Das wird ein erstes Signal sein. Dieser Tag steht weltweit seit hunderten Jahren traditionell für die Kämpfe der Arbeiter:innenklasse und wir wollen damit ein Teil dazu beitragen.
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