Mai 4, 2024

Burkina Faso, Mali und Niger – endlich antikolonial?

Die drei Staaten im Nordwesten Afrikas vereint eine zuletzt gemeinsame Geschichte. Sie alle gingen vor kurzem durch einen Putsch. Außerdem kämpfen alle drei gegen eine Welle dschihadistischer Aufstände, die aus Mali 2021 auch in die beiden Nachbarländer Burkina-Faso und Niger geschwappt sind. 

Die Situation in Mali:

In Mali begann die Serie an Militärputschen. Nachdem 2020 schon ein Putsch stattgefunden hatte, kam es 2021 erneut zur Machtübernahme. Ein Streit zwischen dem Militär und zivilgesellschaftlichen Gruppen, welche 2020 nach dem Putsch eine Übergangsregierung ausgehandelt hatten, war erneut eskaliert. Das Militär fühlte sich nach einer Nichtbeteiligung gezwungen zu handeln. 

Die Situation in Burkina Faso:

Ibrahim Traore, der durch einen Putsch am 30. September in Burkina Faso an die Macht gelangt ist, ist der jüngste Staatschef der Welt. Die Machtergreifung des jungen Militärs wurde durch die bürgerlichen Medien mit folgenden Worten begleitet: „Ein Gespenst geht um in Westafrika. Sein Name: Antiimperialismus.“ Auch wenn dies nichts mit Antiimperialismus zu tun hat, betont der neue Staatschef ihre Fesseln von Frankreich befreien zu wollen und die Näherungen zu Russland zu verstärken.

Er selbst war im Norden des Landes im Kampf gegen dschihadistische Rebellen aktiv und warf seinem Vorgänger Präsident Damiba vor, sich zu sehr auf die Kolonialmacht Frankreich im Kampf gegen diese Gruppen verlassen zu haben. Seine Lösung ist die Ausweitung der Partnerschaften mit seinen neuen Verbündeten. Er sieht sowohl in den USA einen Partner, als auch in Russland. Er wirbt für einen selbstbewussten afrikanischen Kontinent, losgelöst von allen Abhängigkeiten gegenüber dem Westen. Viele vergleichen ihn durch sein Alter und seinen Hintergrund und seine Agenda mit dem Staatsgründer und Anti-Imperialist Thomas Sankara. Seine Reden beendet Traoré mit den Worten „La patrie ou la mort, nous vaincrons!“, zu Deutsch: „Vaterland oder Tod, wir werden siegen“ – das Motto des revolutionären Kuba unter Fidel Castro. So auch beim Russland-Afrika-Gipfel in Sankt Petersburg, wo er vor allem durch seine Forderungen laut bürgerlicher Presse an seine amerikanischen Kollegen auffiel. Er bezeichnete die Menschen Afrikas als „die vergessenen Völker der Welt.“ 

Auf der anderen Seite steht er aber auch enorm unter Druck. Für den Sommer 2024 hat er demokratische Wahlen angekündigt. Seine Position ist weiter instabil. Im September wurde ein Putschversuch gegen ihn vereitelt. Bis jetzt sind 40 % des Landes nicht unter der Kontrolle der Regierung. Der Kampf gegen die Dschihadisten geht jedoch weiter. 

Die Situation in Niger

In Niger putschte im Juli 2023 unter Führung von General Abdourahmane Tchiani, Befehlshaber der Präsidentengarde, einer Eliteeinheit des Militärs. Der gewählte Präsident Mohamed Bazoum und seine Frau wurden im Präsidentenpalast festgesetzt. Die Verfassung wurde außer Kraft gesetzt und alle Institutionen aufgelöst. Die Putschisten unter Tchiani machten die schwierige Wirtschafts- und Sicherheitslage im Land für ihre Maßnahme verantwortlich, aber auch die Kritik an der Militärpräsenz der Kolonialmacht Frankreichs war vielen Menschen im Land ein Dorn im Auge. Anfangs war nicht klar, ob das Volk und auch das Militär hinter den Putschisten stehen. Jedoch sieht es so aus, als hätten sie die mehrheitliche Unterstützung des Volkes. Aus dem Ausland stellten sich die USA, die UN, die EU, Russland und die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas gegen den Putsch und drehten das Land den Geldhahn zu. Viele sahen hinter der Verurteilung durch die Ecowas-Staaten jedoch französische Interessen. Unterstützung bekam man jedoch aus Mali und Burkina Faso. Beide Länder gelten im Westen Afrikas als Gegenpol zu Frankreich. Die Regierungen beider Länder sagten dem Land im Falle eines Konflikts ihre Unterstützung zu.

Eine Wirtschaftsblockade wurde eingerichtet, außerdem wurde seitens Ecowas eine mögliche militärische Intervention angekündigt. Für den Westen galt der Niger als ein sicherer Boden für die Stationierung ihrer Soldaten. Hier wurde offiziell der Kampf gegen die Dschihadisten in der Sahel-Zone geführt. Zudem wurde der Niger als Bollwerk gegen Migration in Richtung Libyen und damit in Richtung Europa eingesetzt. Nun müssen auch hier die französischen Soldaten abziehen, der französische Botschafter hatte vorher schon das Land verlassen. Neben den 2.000 französischen Soldaten befinden sich auch 100 deutsche Soldaten im Land. Auch diese sollen bald folgen und das Land verlassen. „Imperialistische und neokolonialistische Kräfte sind nicht mehr willkommen auf unserem nationalen Territorium“ hieß es in der Hauptstadt Niamey. Und auch aus der Zivilgesellschaft werden diese Forderungen an die neue Regierung weitergegeben. So fordert ein Bündnis aus Akteuren der Zivilgesellschaft, dass jetzt auch der Rohstoffhandel mit Frankreich eingestellt wird. Für Frankreich könnte das zu einem riesigen Problem werden. Das wichtigste Handelsgut des Sahel-Staats ist Uran. Für Frankreich ein wichtiger Rohstoff, versorgt sich das Land doch zwei Drittel immer noch aus Atomkraftwerken, welche auf das Uran angewiesen sind. Unter anderem kommt dieses aus dem Niger. Das Bündnis M62 fordert nun die Einstellung und bezieht sich vor allem auf die ungleichen Verhältnisse beim Handel sowie das nigrische Gesetz. Das französische Unternehmen Orano baut das Uran momentan ab, müssten aber nach nigrischen Bergbau-Gesetz in nationalen Händen sein. Außerdem hat Frankreich 2010 Uran im Wert von 3,5 Milliarden Euro an Frankreich exportiert, aber nur 459 Millionen Euro an den Sahel-Staat gezahlt. Eine Einstellung hätte dramatische Konsequenzen für das EU-Land, aber nur geringe Auswirkungen auf die nigrische Wirtschaft. Die Putschisten hatten bereits im Juli einen Exportstopp angekündigt. Bisher wurde dieser offenbar nicht durchgeführt. Problem ist, dass Frankreich seine kolonialen Interessen geschickt mit dem Niger verflochten hat. So gehört die Firma Somair, die aktuell 90 % des Urans im Niger ausbeutet, zu 63 % der mehrheitlich staatlichen französischen Orano-Gruppe, zu 37 % der nigrischen Staatsfirma Sopamin. Die Verträge wurden erst im Mai bis 2040 verlängert. In Frankreich hatte man schon früh auf das Problem reagiert und auch in anderen Ländern Verträge abgeschlossen. Das Uran kommt unter anderem aus Kasachstan, Australien oder Namibia. Nur ein Fünftel wird aus dem Niger bezogen. Die EU steht wohl schon mit Kasachstan in Verhandlungen, um einem eventuellen Lieferstopp zuvorzukommen und das Uran sonst anderswo einzukaufen. 

Weiter hat der Niger mit islamistischen Gruppen zu kämpfen. Im August und im September starben wieder Soldaten bei Angriffen durch Ableger der Al-Qaida und den Islamischen Staat. Die Kontrolle über das Staatsgebiet hat damit Priorität.

Die französische Militärpräsenz in Afrika ist keinesfalls vorbei. Man ist weiter im Nachbarland Tschad, wo es in letzter Zeit ebenfalls vermehrt zu Demonstrationen gegen eine französische Militärpräsenz kam, wie auch in Senegal, der Elfenbeinküste, Gabun und Dschibuti präsent. In der Nato wird die Abkehr von Afrika ebenfalls als Nachteil gesehen.