Oktober 9, 2024

March of Hope- zu Fuß nach Europa

Im Anschluss an den arabischen Frühling mit Aufständen in großen Teilen der arabischen Welt brachen viele der bis dahin stabilen Grenzstrukturen auf. Nicht nur, dass Regierungen zusammenbrachen und Bürgerkriege ausgelöst wurden, es wurden auch bisherige Bollwerke gegen jede Art von Migration Richtung Europa gesprengt. So etwa die Gaddafi-Regierung in Libyen, wodurch ein wichtiger Verbündeter Europas im Kampf gegen die Flüchtlingsbewegungen und Migration Richtung Europa fiel. Aus Syrien, Somalia, Afghanistan, aber auch aus anderen Teilen der Welt machten sich tausende auf den Weg. 

Am 5. September 2015 spitze sich die Lage in Budapest um den Bahnhof Keleti zu. Nachdem Züge statt für die Weiterfahrt nach Österreich zu gefängnisartigen Auffanglagern für die Migrant:innen umfunktioniert wurden, begannen die Menschen improvisierte Camps um den Bahnhof herum zu errichten. Vielen von ihnen kamen aus Syrien, hatten sich dort am organisierten Widerstand gegen Assad beteiligt. Dies machte sich auch in Ungarn wieder sichtbar. Nach einiger Zeit machte sich das Gerücht eines organisierten Fußmarsches Richtung Österreich breit. Viele der Menschen waren ohnehin schon große Teile der sogenannten Balkanroute, von der Türkei/Griechenland aus bis nach Ungarn, zu Fuß gelaufen. Und tatsächlich setzte sich ein Protestzug in Bewegung. Nachdem es in Budapest erste Ausschreitungen zwischen Migrant:innen und Gruppen von organisierten Gruppen gab, machten sich viele in Richtung Autobahn nach Wien. Diese Autobahn wurde gesperrt und der Protestzug von der Polizei toleriert. 

Es gab immer wieder spontane Plena, Blöcke wurden gebildet und Kommunikationswege zwischen den verschiedenen Blöcken errichtet. Gegen Abend, als es schon dunkel wurde, etwa 20 km von Budapest entfernt, wurde schließlich debattiert, ob man am Rand der Autobahn schlafen sollte. Doch es kam anders: Shuttlebusse wurden bereitgestellt, die die Menschen schließlich bis zur österreichischen Grenze fuhren. Es sollte ein großer Wendepunkt in der Migrationsgeschichte Europas werden. 

Zehntausende nutzten diese eine Möglichkeit. Eine Möglichkeit, welche sich in dem vorherigen Dublin-Grenzregime und dem danach beschlossenen Türkei-Deal widerspiegelte. Einem misslungenen EU-Projekt, welches sogenannte „irreguläre“ Migrant:innen aus der EU gegen dann in der Türkei verweilende „legale“ Migrant:innen tauschen sollte. Dieser Deal hat nie funktioniert. Der Türkei-Deal kann als eine endgültige Wende in der Migrationspolitik Europas gesehen werden. Ab diesem Zeitpunkt begann die Abschottungspolitik, der Bau von Zäunen, das Auslagern von Gefängnisstrukturen, die Einschränkung des Asylrechts und Kriminalisierung von Flucht und Fluchthelfern. Schnell wurden aus gefeierten Seenotrettern und Fluchthelfern kriminelle Schleuser und Mitglieder der organisierten Kriminalität. Millionen von Menschen, die heute hier leben und Teil dieser Gesellschaft sind, wurden gezwungen, durch den Horror der langen Reise nach Europa zu reisen. Sie alle ließen etwas zurück, ob Hoffnungen, Wertsachen oder nahestehende Personen. Tausende schafften es nicht. Und mit ihr die Glaubwürdigkeit der liberalen Demokratie und ihrer Ethik.