April 29, 2024

Paragraph 129a/b – Ein politisches Repressionsmittel gegen Linke

„Die Bildung terroristischer Vereinigungen ist eine Straftat, die in Deutschland in § 129a/b StGB normiert ist.“

Egal ob die Letzte Generation, antifaschistische Organisationen, potenzielle PKK-Unterstützer:innen oder kommunistische Gruppen – in Deutschland werden fortschrittliche Bewegungen schnell mal auf eine Ebene mit islamistischen oder neofaschistischen Terrororganisationen wie dem NSU gesetzt. So wird z.B. aus dem Sich auf die Straße Kleben schnell mal ein Terrorakt. Warum kommt es soweit? Warum wird der Paragraph gerade von linken Kreisen so sehr kritisiert? Dafür muss man auf die Entstehungsgeschichte des Paragraphen zurückschauen. 

Der § 129a StGB gehört zu dem teilweise als „Lex RAF“ bezeichneten Gesetzesbündel, das mit speziellem Bezug auf die Rote Armee Fraktion erlassen wurde. Somit ist er im Ursprung auf „linksextremistische Terrorgruppen“ zugeschnitten. Er erfasst sowohl die Gründer:innen als auch die Mitglieder einer „terroristischen Vereinigung“ und droht diesen Freiheitsstrafen von einem Jahr bis zu zehn Jahren bzw., wenn nur die Androhung von Straftaten stattfinden sollte, von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Für Führungspersonen gibt es zusätzliche Strafverschärfungen. Auch Unterstützer:innen oder „Anwerber“ von diesen können mit Geld- und Freiheitsstrafen belegt werden. 

Der Paragraph 129 an sich kommt aus dem Reichsstrafgesetzbuch des Deutschen Reichs von 1871 und hatte einen rein politischen Charakter. Erst 1951 wurde der Paragraph so umgeschrieben, dass er auch Organisationen außerhalb der „politischen Kriminalität“ erfasste. Dies erfolgt aber nach wie vor sehr selten, da bei diesen oft keine Verfolgung von übergeordneten gemeinschaftlichen Zielen in der Gruppe besteht. Bis heute werden diese Strukturen nur begrenzt mit dem Paragraphen erfasst. Zu unterscheiden sind deshalb der Paragraph 129 (Bildung einer kriminellen Organisation) und der Paragraph 129a (Bildung einer terroristischen Organisation). Kritisiert wird Letzterer vor allem, da er politischen Aktivismus kriminalisiert und unter Strafe stellt. Selbst der Bundesgerichtshof kritisiert, dass mit dem Paragraphen schon Handlungen, die sogar weit im Vorfeld von Vorbereitungen konkreter strafbarer Handlungen liegen, unter Strafe gestellt werden. In diesem Sinne wird der Paragraph auch als Gesinnungs-Paragraph kritisiert, da nicht die Tathandlung oder Vorbereitungshandlungen, sondern schon allein die Motivation unter Strafe gestellt wird. Dies ist allein schon mit den Grundsätzen des deutschen Strafrechts nicht vereinbar, da es dem Grundsatz des Tatstrafrechts widerspricht und somit verfassungswidrig ist. Zuletzt fand in der NS-Zeit das Gesinnungsstrafrecht vor allem gegen Kommunist:innen Anwendung. In diesem Sinne ist der Paragraph 129a/b auch gleichzeitig ein Ausdruck der „gescheiterten“ Entnazifizierung.

Zudem wird der Paragraph auch als Schnüffel-Paragraph bezeichnet. Schon weit im Vorfeld der Vorbereitung konkreter strafbarer Handlungen sind vielfältige strafprozessuale Eingriffsmöglichkeiten wie Telekommunikationsüberwachung oder die Sammlung von Daten etc. möglich. Für eine Anwendung dieser Maßnahmen müssen jedoch im Vorhinein eigentlich Straftaten begangen worden sein, bei denen eine Freiheitsstrafe von mindestens 2 Jahren droht. Diese müssen aber eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit bedeuten, was beispielsweise bei Aktionen der letzten Generation fraglich ist – unabhängig von der Sinnhaftigkeit der Aktionen. Es können also völlig willkürlich und politisch motiviert der Einsatz von Überwachungsmaßnahmen und Repressionen gegen verschiedene Gruppen gerechtfertigt werden. Von diesem Werkzeug macht der kapitalistische deutsche Staat bewusst Gebrauch.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ist der Paragraph erweitert worden und beinhaltet nun auch die Verfolgung von Mitgliedern von Organisationen, die im Ausland aktiv sind und von der BRD als terroristisch eingestuft werden (z.B. YPG). Migrantische Linke sind zunehmend im Fokus des Paragraphen 129 a/b und in den letzten Jahren wurde damit vor allem gegen kurdische und türkische Aktivist:innen vorgegangen – besonders aufgrund der engen Zusammenarbeit mit dem faschistoiden türkischen Staat. Aktuell sind auch palästinensische Gruppen stark von der Repression betroffen. Aus diesem Grund steht der Kampf gegen den Paragraphen 129 a/b auf der Tagesordnung der revolutionären Kräfte in Deutschland, die in ihrem legitimen Kampf gegen das kapitalistische System kriminalisiert und mit staatlicher Gewalt konfrontiert werden.